Wien (pts017/03.12.2018/10:00) – Mit Menschenmassen und Unfällen bei Veranstaltungen wird oftmals „Massenpanik“ als Ursache von Verletzten und Toten verbunden. Einige Beispiele aus den letzten Jahren sind uns noch im Gedächtnis, wie die Love Parade in Duisburg (2010), dem Endspiel des Europapokals der Landesmeister im Heysel-Stadion (1985), beim Air & Style in Innsbruck (1999) oder dem Haddsch (2015).
Mit Massenpanik verbindet man zu Tode getrampelte Menschen
Mit dem Bild Massenpanik verbindet man Menschen, die über andere hinwegsteigen und diese zu Tode trampeln. Bilder von Unglücksorten lassen den Schluss zu, dass Panik bzw. Massenpanik ein durchaus häufig auftretendes Phänomen sind. Unkontrolliertes und rücksichtsloses Verhalten von Menschen ist sozusagen normal.
Das Konstrukt der Massenpanik lässt sich bis hin zu Gustav Le Bons „Psychologie der Massen“ (1895) zurückführen. Bereits zu Le Bons Lebzeiten wurde Kritik an seinen Ausführungen laut. Dennoch halten sich viele dieser Mythen bis zur heutigen Zeit.
Studien belegen: Menschen verhalten sich strukturiert und hilfsbereit
Zahlreiche Studien (u.A. der Tragödien beim Beverly Hills Supper Club, im Summerland Leisure Complex, bei der Love Parade Duisburg, der Terroranschläge in London und die Evakuierung des World Trade Center) belegen, dass die überwiegende Mehrheit der Personen auch in lebensbedrohlichen Situationen durchaus zu koordiniertem, strukturiertem und hilfsbereitem Handeln bereit sind.
Panik bzw. panikartiges Verhalten konnte, wenn überhaupt, nur in einem sehr geringen Ausmaß (< 1 %) festgestellt werden. So schrieb z.B. Prof. Dr. Dirk Helbing nach seiner Untersuchung des Unglücks bei der Love Parade in Duisburg: "Die Toten sind das Resultat eines physikalischen, nicht eines psychologischen Effektes." Dies bedeutet, nicht Panik, sondern schlicht ein zu hoher Druck (physikalischer Effekt) war dafür verantwortlich, zurückzuführen auf eine zu hohe Anzahl von Personen pro Quadratmeter. Menschen sterben, weil Sie die Alarmierung falsch einschätzen und zu spät reagieren Einen Schritt weiter geht Neil Townsend (vom London Fire Rescue Service) der konstatiert: "When people die in fires, it's not because of panic, it's more likely to be the lack of panic." Nicht Panik, sondern die "Abwesenheit von Panik" ist oftmals die Ursache von Todesopfern bei Bränden. Um darzustellen, was Townsend damit meint, muss kurz ausgeholt werden. Wenn Personen aufgrund einer falschen oder schlechten Alarmierung, die Warnmeldung nicht verstehen und nicht auf sich beziehen, wird die gewünschte Reaktion (das Areal zu verlassen) ausbleiben. Ein Evakuierungsexperiment in einer Londoner U-Bahn-Station zeigte z.B., dass die Verwendung einer Alarmglocke gänzlich unzureichend ist. Alarmglocken sind die falsche Alarmierungsvariante Durch eine falsch eingeleitete Räumung geht unter Umständen überlebenswichtige Zeit verloren. Je später Menschen flüchten, desto weniger Zeit bleibt für die eigentliche Bewegungsphase und es kann hoher (und potentiell gefährlicher) Druck bei den Ausgängen entstehen. Neil Townsend meinte daher mit seiner Aussage, dass Menschen in einer Gefahrensituation oftmals zu wenig Angst zeigen und die Bedrohung, trotz entsprechender Warnhinweise, nicht realisieren und dadurch die Bewegungsphase erst verzögert, oder manchmal sogar zu spät, einsetzt. Doch was hat dies nun mit der eingangs erwähnten Panik bzw. Massenpanik zu tun? Aufgrund der Sorge vor Massenpanik wird falsch alarmiert und informiert Die Annahme über die Existenz von leicht entstehender Panik bzw. Massenpanik beeinflusst die Art der Alarmierung. Oftmals werden Warnungen aufgrund von Sorge vor Panik bzw. Massenpanik (da diese fälschlicherweise als häufig auftretende Phänomene erachtet werden) nicht bzw. verzögert ausgesprochen oder es werden wichtige Informationen zurückgehalten (z.B. der Grund für die Räumung). Oft auch deswegen, weil eine "Marke" nicht mit bestimmten Worten in Verbindung gebracht werden will. Zusätzlicher Fokus auf Fluchtwegbreiten und Kommunikationsmitteln Zusätzlicher Fokus sollte daher, neben den entsprechenden Fluchtwegbreiten, auf der Qualität hinsichtlich der gewählten Kommunikationsmittel und der Inhalte der Alarmierung liegen. Präventive Schritte können schon vorab organisiert und geplant werden, um Tragödien zu verhindern. Zusammenfassend wird festgehalten, dass Panik bzw. Massenpanik ein ausgesprochen seltenes Phänomen ist und häufig mit dem natürlichen Fluchtverhalten von Menschen verwechselt wird – aufgrund schlechter Informationen. Niemand steigt bei einer Evakuierung gerne auf jemanden drauf, nur wenn der Druck von hinten so groß ist, dass keine Wahlfreiheit besteht. Menschen in Notfällen verhalten sich überwiegend strukturiert, organisiert und hilfsbereit. Einen ausführlicheren Bericht mit Quellangaben finden Sie unter: https://www.2m.at/l/von-der-massenpanik-zur-realitat In Zusammenarbeit und freundlicher Unterstützung von Martin Bardy MA, BEd, BA, MBA. (Ende) Aussender: 2M Ansprechpartner: Erno Mayer, dipl. BO Tel.: +4366303038008 E-Mail: nachrichten@2m.at Website: www.2m.at